“Feministinnen wären doch viel lieber Männer”

Gleich mein erster Post auf dieser Seite wird ein genervter Politik-und-Gesellschaft-werden-es-nie-begreifen-Post.

Und zwar kann ich es trotz jahrelangen queerfeministischen* Engagements immer noch nicht fassen, was für eine dumme und stumpfsinnige Auffassung Menschen von Feminismus haben können.

Menschen,die sich mit dem Thema noch nie befasst haben, Menschen, die glauben, dass Feminismus die Versklavung der Männer bedeutet, Menschen, für die die Frauen immer noch hinter den Herd gehören und auch solche Menschen, die ganz genau zu wissen glauben, welchem Schönheitsideal Frauen zu entsprechen haben.

Von solchen Menschen kommen Aussagen, nach denen Feminist*innen wie Männer behandelt werden wollten, nach denen sie sich sämtliche Haare so lange wachsen lassen, bis man sich wünsche, sie wären Männer ( und das ist ein Facebookzitat eines Menschen, der mit dieser Aussage Feminismus definieren wollte!), nach denen man ja an Alice Schwarzer sehen könne, wie scheiße Feminismus sei oder dass Männer doch auch Rechte hätten.

Als ob (Queer-)Feminismus bedeutet, dass Männer unterjocht würden. An all diese Menschen, setzt euch doch mal mit der Frauenbewegung auseinander, vergleicht Zahlen, beobachtet und analysiert die Stellung der Frauen in unserer Gesellschaft!

Noch immer verdienen Frauen* in den gleichen Positionen weniger als Männer ( Stichwort Equal Pay Day), noch immer sehen sich  Frauen*  unglaublichem gesellschaftlichem Druck ausgesetzt, wenn sie sich die Beine nicht rasieren, wenn sie Pumps unbequem finden oder wenn sie die Karriere einer Familie vorziehen. Noch immer sind Frauen* in einem Land wie Deutschland, in dem sie knapp 50% der Bevölkerung stellen, selbst im Bundestag krass unterrepräsentiert, ganz zu schweigen von Aufsichtsräten, Unternehmen etc.

Doppelt so viele Mädchen wie Jungen, fast 30% (!!) entwickeln (zumeist aufgrund gesellschaftlicher Zwänge und Schönheitsideale)  Essstörungen. Der Anspruch an Frauen* besteht nicht mehr darin, gute Mütter und Hausfrauen zu sein, sondern, sofern sie sich für eine Karriere entscheiden, erfolgreiche Karrieristinnen, Hausfrauen UND Mütter.

Was als sexuelle Befreiung der Frau* propagiert wird, ist zumeist nichts weiter als die Reduzierung von Frauen*als Lustobjekt auf ihre sexuelle Anziehungskraft und zwar sowohl in diversen Medien als auch in der Werbung und häufig genug auch in der Politik (von der Tatsache, dass extrem wenig Männer zur Prostitution gezwungen werden, aber unzählige Frauen* will ich jetzt garnicht anfangen).

Frauen* müssen in erster Linie immer noch hübsch sein, dann kommen Dinge wie Intelligenz oder  Durchsetzungsvermögen. Apropos Durchsetzungsvermögen, zeigen sich Frauen* in der Öffentlichkeit als besonders durchsetzungsfähig, werden sie ziemlich häufig als unsympathisch wahrgenommen, bei Männern dagegen gilt Durchsetzungsvermögen als positive Charaktereigenschaft.

Kann es denn wirklich sein, dass unter solchen Bedingungen der Einsatz für eine Gleichbehandlung, für eine Unterstützung der Menschen nach ihren Fähigkeiten statt nach ihrem gesellschaftlich zugeschriebenen Geschlecht, der Einsatz für die Möglichkeit Aller, frei und ohne gesellschaftlichen Druck zu entscheiden, wie sie ihr Leben gestalten möchten, kann es da tatsächlich sein, dass dieser Einsatz als Bedrohung wahrgenommen wird, und zwar vor allem von den sogenannten Cis*Männern, die eigentlich ganz glücklich darüber sind, in einer noch immer patriarchal aufgestellten Gesellschaft das schöne Los gezogen zu haben, nicht aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit diskriminiert zu werden und denen es auch egal ist, wenn es andere Menschen gibt, denen genau dies passiert? Und dass diese Menschen, wenn ich mit ihnen versuche inhaltlich zu diskutieren, mich aufgrund meines Geschlechts angreifen und diskriminieren und ich dann die Unterhaltung beende, weil es kein Meinungsaustausch sondern diskriminierendes, sexistisches Überheblichkeitsgerede ist, dass diese Menschen darin die typisch weibliche Unterlegenheit erkennen wollen?!

Feminismus bedeutet einen Kampf für Gleichberechtigung, keinen Kampf darum, wer jetzt wen unterdrücken darf. Wann findet endlich dieses Umdenken in der Gesellschaft statt, wann hört Calzedonia auf, Unterwäschewerbung mit barbusigen Frauen zu machen und wann hört H&M endlich auf, Frauen mit Konfektionsgröße 40 als oversized zu bezeichnen? Und wann ist endlich in dieser Gesellschaft auch Platz für die Menschen, die die klassischen Rollenunterteilungen in männlich/weiblich nicht mittragen wollen und sich keiner der beiden Gruppen zuordnen können?

Ich möchte in keiner Welt leben, in der ich für intellektuelle Erfolge gelobt werde, weil das für mich als Frau ja eher untypisch ist und für meine Pläne, mein Leben nicht als Hausfrau zu führen, verachtet werde und gleichzeitig möchte ich, dass jede Frau*selbst entscheiden kann, ob sie Karriere macht oder zuhause bleibt- ohne dumme Kommentare. Solange ich mir primär dadurch Gehör verschaffen kann, dass ich tiefe Ausschnitte trage und Musikvideos und Lieder wie Robin Thickes “Blurred Lines” rape culture propagieren und suggerieren, die Frau* sei einzig und allein zum Vergnügen des Mannes da, so lange werde ich all meine Kräfte einsetzen und kämpfen, bis sich vielleicht irgendwann etwas ändert.

Und deshalb: Still <3’ing feminism. Heute und auch in 10 Jahren noch, so lange, bis queerfeministische Bewegungen nicht mehr nötig sind, weil es keine Geschlechterdiskriminierung und Rollenvorschriften mehr gibt.

*Queerfeminismus ist die Erweiterung des klassischen Feminismus, also des Einsatzes für die Rechte von Frauen, um den Einsatz für die Gleichstellung sämtlicher Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder auch ihrer eindeutigen oder uneindeutigen Geschlechtszugehörigkeit diskriminiert werden.